BRÄNDLES BALLBERICHT


 

Fanfaren in Conakry

Der Schweizer Reporter Harry Gmür im Jahre 1979 zu Gast in Westafrika

 

Fabian Brändle

 

Die Schweiz, stolz auf ihre traditionsreiche (halb-(direkte) Demokratie, kennt am linken Rand des politischen Spektrums eigentliche Dissidenten, die das kapitalistische System, den Filz, das Geschäftsgebaren der Banken oder die allgegenwärtige Vetternwirtschaft im Lande schonungslos offen kritisierten. Zu diesen Kritikern gehörte der Publizist und Schriftsteller Harry Gmür (1908-1979), der in zahlreichen Reportagen und in vielen Zeitungsartikeln beispielsweise die Rolle der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges (1939-1945) und deren mannigfache Verflechtungen mit Hitlerdeutschland durchleuchtete. Der überzeugte Kommunist Harry Gmür nahm kein Blatt vor den Mund, dafür wurde er schikaniert, geächtet, teilweise gar fertig gemacht, auch von den bürgerlichen und von den rechten Medien. Gmür schrieb für das DDR-Blatt „Weltbühne“, durchaus systemkonform. So galt er als Mann Walter Ulbrichts und Erich Honeckers, war entsprechend angreifbar.

Reporter Harry Gmür reiste schon früh durch Afrika und war Zeuge der dortigen Unabhängigkeitsbewegungen, interviewte auch Diktatoren und solche, die es werden wollten. Doch hatte Gmür nicht nur ein Gespür für die politischen Entwicklungen, er interessierte sich auch für „Nebensächlichkeiten“ wie den Sport im Allgemeinen und den Fussball im Besonderen. So entstand 1979 in einem Buch über Guinea auch eine Reportage über „König Fussball“, eine für die Sportgeschichte wertvolle Quelle, denn zum afrikanischen Fussball informieren ansonsten meist nur gegenwartsbezogene Autoren wie der brillante Zeit-Korrespondent Bartholomäus Grill.

In Guinea besuchte Harry Gmür Spiele im „Stadion des 28. September“, das von der Sowjetunion gestiftet worden war. Viele junge afrikanische Staaten orientierten sich während des Kalten Krieges an der UdSSR und an deren Satellitenstaaten des Warschauer Paktes, die kommunistische Ideologie schien ihnen antiwestlich und antiimperialistisch genug, und die Verbrüderung brachte auch wirtschaftliche Vorteile sowie ungemein geschätzte Waffenlieferungen ein. In Guinea betrieben auch akademische Lehrer aus der DDR Sportförderung, so ein sächsischer Leichtathlet namens Rudolf, mit dem sich Harry Gmür anfreundete. Die DDR hatte damals, in den späten 1970er Jahren, in der Welt einen erstklassigen Ruf, zumindest was den Sport anbelangte.

Beim Spiel der Hauptstädter aus Conakry gegen Kakuma FC aus Sierra Leone waren die Ränge der Betonschüssel gut gefüllt. Beide Teams bestanden aus lupenreinen Amateuren, spielten aber einen offensiven, ansehnlichen Fussball, operierten sowohl mit langen Bällen als auch mit kurzen Pässen, köpften gekonnt aus der Gefahrenzone heraus. Eine staatliche Militärkapelle begleitete den Match akustisch, spielte nach jeder gelungenen Aktion der Hausherren eine laute Fanfare. Reporter Harry Gmür mochte diesen ohrenbetäubenden Radau gerne, schätzte auch die gute Stimmung auf den gut besetzten Rängen.

Hoch waren die Erwartungen, als Guineas Nationalmannschaft beim Afrikacup der Nationen zu Beginn überraschte und sogar ungeschlagen das Endspiel gegen Marokko erreichte. Das gesamte Land schaute TV oder hörte Radio. Leider verlor das relativ kleine Land Guinea das umkämpfte Finale gegen das nordafrikanische Team, das auf viele erfahrene Profis in Frankreich zurückgreifen konnte.

 


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